Offener Brief für einen kritischen Diskurs an der HHU
Initiiert vom Sozialistische-Demokratischen Studierendenverband Düsseldorf und der Gruppe Students for Palestine HHU wurde am 07.11.2024 ein offener Brief an die Universitätsleitung veröffentlicht, der fordert proaktiv eine Raum für politische Bildung und kritischen Diskurs zu schaffen sowie vergangene und aktuelle Repressionen kritisiert besonders im Bezug zum Thema Israel-Palästina.
Der Vorstand des AStA stellt sich als Erstunterzeichnender hinter diese Forderungen.
Studierenden, Mitarbeitenden und Externen ist es ebenfalls möglich diesen Brief zu unterzeichnen. Den Link dazu findet ihr hier.
Der Brief
Offener Brief für einen kritischen Diskurs an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Sehr geehrte Prof. Dr. Anja Steinbeck, als Rektorin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Dr. Martin Goch, als Kanzler der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf,
In den letzten Monaten haben wir an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) eine besorgniserregende Einschränkung des wissenschaftlichen Diskurses zum Thema Israel-Palästina erlebt. Veranstaltungen wurden durch unverhältnismäßige Auflagen verunmöglicht. Dies verhindert eine kritische Debatte und widerspricht der Forderung des Rektorats nach einem friedlichen Diskurs (aus der HHU-Rundmail vom 09. Juni 2024).
Eine Veranstaltung zum Nakba-Gedenktag vom SDS Düsseldorf wurde durch kurzfristige, für eine Hochschulgruppe unerfüllbare Auflagen verunmöglicht, obwohl sie zuvor bereits genehmigt wurde. Eine Auflage war das Organisieren eines privaten Sicherheitsdienstes. Zum einen stellt sich die Frage, wozu es eines zusätzlichen Sicherheitsdienstes bedarf, wenn die Securitas bereits diese Aufgabe auf dem Campus erfüllen, zum anderen ist ersichtlich, dass Hochschulgruppen wie der SDS nicht über die finanziellen Mittel verfügen, für Veranstaltungen private Sicherheitsdienste zu beauftragen. Ebenso sehen wir die Studierendenschaft nicht in der Verantwortung, Gelder für durch die Universitätsleitung getätigte Auflagen bereitzustellen.
Als eingetragene Hochschulgruppe sind wir als SDS durch § 53 Abs. 3 des Hochschulgesetzes NRW dazu beauftragt, zur politischen Willensbildung beizutragen. Die Verunmöglichung von studentisch organisierten Veranstaltungen steht im direkten Kontrast zu diesem Auftrag sowie zur Satzung der Studierendenschaft der HHU, welche die verfasste Studierendenschaft nach § 2 Absatz 1 Satz 4 dazu anhält, “auf der Grundlage der verfassungsmäßigen Ordnung die politische Bildung, das staatsbürgerliche Verantwortungsbewusstsein und die Bereitschaft ihrer Mitglieder, einen diskriminierungsfreien und toleranten Campus zu schaffen, zu fördern”.
Auch wurde der SDS aufgefordert, sicherzustellen, dass nur Angehörige der HHU an der Veranstaltung teilnehmen. Fraglich ist, wie diese Auflage zum Selbstverständnis der HHU als “Bürgeruniversität” passt, insbesondere bei weltpolitischen Konflikten, die weite Teile der Gesellschaft beschäftigen.
Die Gruppe Students for Palestine HHU plante für den Herbst 2024 eine Ausstellung, die die Schicksale einiger im Krieg getöteter Studierender aufarbeiten sollte. Die Veranstaltung wurde von der Universitätsleitung nicht genehmigt.
Dass eine von Studierenden geplante Ausstellung, die an getötete Studierende in Gaza erinnern soll, verboten wird, weil sie „ein erhebliches Risiko für Sicherheit und Ordnung auf dem Campus darstellen würde“ (Zitat aus der Absage-Mail des Kanzlers der HHU, Dr. Martin Goch), ist eine für uns unverständliche Haltung des Rektorats und eine weitere Einschränkung des universitären Austausches. Ebenfalls abgelehnt wurde die Bitte, ein Banner in Gedenken an getötete palästinensische Studierende auf dem Campus aufzuhängen. Das ist unverständlich, da ein Banner in Solidarität mit den am 07. Oktober 2023 von der Hamas entführten israelischen Geiseln bereits im November 2023 aufgehängt werden durfte.
Wir ziehen daraus die Schlussfolgerung, dass die Universitätsleitung nicht gewillt ist, Räume des Erinnerns, des Austausches und des Diskutierens gleichermaßen für alle Betroffenen dieses Krieges zu schaffen.
Einschränkungen wie diese sind keine Einzelfälle. Sie reihen sich in eine Reihe von Repressionen an Universitäten deutschlandweit ein: Die US-amerikanische Philosophin Nancy Fraser wurde aufgrund der Unterzeichnung der Stellungnahme „Philosophy for Palestine“ von einer Gastprofessur in Köln ausgeladen, die Universität Leipzig lehnte pauschal eine Veranstaltungsreihe zum Palästina-Israel-Themenkomplex des SDS Leipzig ab und im Bundesministerium für Bildung und Forschung wurde der Entzug der Fördergelder für Hochschullehrende, die das Recht der freien Meinungsäußerung von pro-palästinensischen Studierenden verteidigten, zu prüfen veranlasst.
Das Rektorat der HHU äußerte wiederholte Male, zuletzt in der Rundmail vom 09. Juni 2024, welche sich auch an die Studierendenschaft richtet, eine einseitige Schuldzuweisung an die Hamas für die aktuelle Situation in Gaza. Diese Position ist keinesfalls unstrittig:
Der Internationale Gerichtshof ordnete Ende Januar diesen Jahres „sofortige und wirksame Maßnahmen“ an, um die Menschen im Gazastreifen vor der Gefahr eines Völkermordes zu schützen. 37 NGOs unterstützen die Resolution des UN-Menschenrechtsrates, den Appell der UN-Expert*innen vom 23. Februar 2024 und die Empfehlung der UN-Sonderberichterstatterin vom 25. März 2024 und forderten bereits Anfang Mai die Bundesregierung auf, die Rüstungsexporte nach Israel zu stoppen. Die UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese sieht „vernünftige Gründe“ für die Annahme eines israelischen Völkermordes im Gazastreifen. Ein Gutachten des Internationalen Gerichtshofs, veröffentlicht im Juli 2024, kam zu dem Schluss, dass Israels Vorgehen in den besetzten Gebieten in mehreren Punkten gegen das Völkerrecht verstößt.
Insbesondere vor diesem Hintergrund braucht es einen faktenbasierten und kritischen Diskurs, vor allem an Universitäten wie der HHU, die sich als „dialogorientierte und transparente Forschungsstätte und Bildungseinrichtung“ und „Bürgeruniversität“ versteht. Zur Wissenschaftsfreiheit gehören kritische Stimmen, auch und vor allem, wenn sie Gegenstandpunkte zu Regierungspolitik, medialem Tenor oder den Überzeugungen des eigenen Rektorats bilden. Gerade in Zeiten des Rechtsrucks und der gesamtgesellschaftlichen Zunahme autoritärer Tendenzen müssen die Universitäten als Raum der kritischen, wissenschaftlichen Freiheit verteidigt werden.
Wir fordern die Universitätsleitung der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf dazu auf, den Vereinigungen der verfassten Studierendenschaft die Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgabe des Beitrags zur politischen Willensbildung zu ermöglichen und proaktiv Raum für kritischen Diskurs zu schaffen. Es braucht Möglichkeiten des Austausches, der Diskussion und der Trauer für alle Angehörigen und Beteiligten.
Für eine solidarische und kritische Uni!
Initiiert von:
SDS Düsseldorf
Students for Palestine HHU
Kontakt & Presse:
sds.duesseldorf@riseup.net
Link zum Brief: www.tinyurl.com/briefhhu
Dieser Brief ist aus der Zusammenarbeit verschiedener Gruppen und Einzelpersonen aus der verfassten Studierendenschaft entstanden. Bereits bei der Formulierung des Briefes standen wir in Austausch mit Dozierenden und weiteren Beschäftigten des akademischen Mittelbaus. Wir arbeiten gemeinsam an der Vernetzung von Universitätsmitarbeitenden untereinander und dem Austausch dieser mit Studierenden. Bitte treten Sie mit uns in Kontakt, wenn Sie Interesse daran haben, sich zu vernetzen.
Wenn Sie als Student*in oder Hochschulgruppe der HHU den Brief mitzeichnen möchten, nutzen Sie bitte folgendes Formular: https://forms.gle/VTitz1gw3KiEeb1F8
Erst-Unterzeichnende:
Allgemeiner Studierendenausschuss der Heinrich-Heine-Universität
Fachschaft Biologie
Fachschaft Literaturübersetzen
Fachschaft Modernes Japan
Fachschaft Musikwissenschaften
Fachschaft Politikwissenschaft
Fachschaft Sozialwissenschaften& Soziologie
Juso-Hochschulgruppe Düsseldorf
Muslimische Hochschulgemeinde Düsseldorf
Referat für internationale Studierende des AStA (Mahmoud Amer Kabouh)
Referat für politische Bildung des AStA
Referat für Presse und Öffentlichkeitsarbeit des AStA
Students For Future Düsseldorf